Im Vorübergehen der Zeit schenke ich dir eine Träne und ein Lächeln. Du schöne, Sonnen bestrahlte, sanfte, nach Rosen und Frühling duftende, dir die Endlosigkeit vortäuschende. Kleeblatt Suchende.
Neulich ist mir in meinem Kiez aufgefallen, dass hier eine neue Ära begonnen hat. Kann sein, dass andere es vor mir bemerkt haben. Mir ist es entgangen. Mein eigener Veränderungsprozess das Älterwerden hat mich beschäftigt. Werde ich schon anders wahrgenommen oder überhaupt mit meiner Individualität noch gesehen?
Das Alter repräsentierte für mich bisher eine alte Frau aus unserem Kiez. Wenn ich sie sah, dachte ich an ein Fossil, das ausgegraben worden war, in dem noch etwas Leben steckte. Von alten Fotografien, die ich mir in meiner Kindheit im Spreewald anschaute, kenne ich die Muhmen, alte vermummte Frauen, die aus einer geöffneten Zeitkapsel entwichen schienen. Große Tücher, dreieckig gefaltet, weit über die Schulter reichend, am Rücken, die Spitze des Tuches, eng am Kopf gebunden, die Haare verborgen. Zerfurchte Gesichter eingerahmt. Lange weite Röcke, darüber Schürzen, Strickjacken, selbst gestrickt auch die Strümpfe. Holzpantinen, eine Kiepe aus Weidenruten, geflochten auf dem Rücken. So bekleidet, nur ohne Kiepe, schlurfte auch die Alte um den Häuserblock, untergehakt bei ihrem greisen Mann in seiner abgewetzten Anzughose, gestreift, mit weitem Bein, eine Bügelfalte konnte man noch erahnen, Strickjacke, darüber eine Weste, Schiebermütze. Miteinander sprechenhabe ich die beiden nie gesehen.
Auch sah ich sie von meinem Balkon aus am offenen Fenster ihrer Wohnung alleine ohne ihren Mann sitzen, immer mit Kopftuch. Nachts brannte in ihrem Fenster Licht, das konnte ich bei meiner nächtlichen und frühmorgendlichen Zigarette sehen. Im vergangenen Sommer beobachtete ich Renovierungsarbeiten in ihrer Wohnung, von der Wohnbaugesellschaft ausgeführt. Neue Mieter zogen ein, mit kleinen Kindern.
Beide im Seniorenheim oder verstorben? So spekuliere ich. Vor ein paar Tagen beim Joggen auf dem geraden Weg, der quer durch den Park führt, erkenne ich sie schon von weitem, die Alte, das Fossil. Sie war noch da, als ich an ihr vorbeilief, nickte ich ihr zu, lächelte sie vertraut an. Sie stand da wie ein Denkmal, ihre Augen ausdruckslos, nicht offen für ihre Umgebung, starr in eine andere Zeit zurückblickend.
Heulende Sirenen verstummen, Einschläge und Detonationen haben aufgehört – die Uhr tickt.
Vorsichtig den Körper abtasten, vom Schutt befreien – die Augen fast blind, zementiert von Staub und Tränen. Auf den Knien über Glasscherben zum Bad rutschen, die Außenwand fehlt, ein großes Auge blickt in den Wahnsinn. Wasser fließt über das Gesicht. Tränen, haben freien Lauf – ein Strom der Angst.
grün – die Kraft der Sonne mildernd -Blattwerk wie von einem Atemzug – einem Hauch zum Tanz aufgefordert schwingt verhalten – das Blau des Himmels durchscheinend über meinem Körper – entspannt – dunkle Tage vergessen. Meine Seele singt.
Düstere Gedanken wie Streukiesel von Bürgersteigen weggeblasen. Tränen zu einem Vergrößerungsglas transformiert. Eine erste kleine Blume zeigt sich zwischen feuchtem, sich auflösendem Laub. Aus blattlosen Zweigen ruft ein Zwitschern nach dem Frühling.
Von draus vom Shoppen komme ich her, ich muss euch sagen, es weihnachtet sehr. Kerzen und Bomben werden angezündet Mensch und Tier wie Kerzen ausgeblasen Weihnachtsgeschenke wiegen schwer in der Hand und auf dem Geldbeutel und die, die nicht mithalten können summen kein Oh du fröhliche oder erst recht.
Wir schenken uns nichts mehr, klingen die Worte, ungläubig lache ich innerlich, das bekommen die meisten nicht mit und nicht hin. Auch wenn die Gans und Ente dieses Jahr noch teurer sind, und die Mast noch schneller verlief, fühlen wir uns verpflichtet, die Energieverteuerung aufzufangen, um der Wirtschaft höhere Gewinne zu bescheren. Hab ich nichts davon gehört, klingt es überall. Schaue keine Nachrichten mehr.
Moral, das Wort streichen wir im Zuge der Zeitenwende. Scheinheiligkeit liegt in der Zimt- und Vanille Weihnachtsluft. Glühwein und andere Betäubung haben Hoch-Konjunktur, mir ist zum Heulen. Weich gespülte Worte sind mir nicht eingefallen, jedoch weich genug, um allen fröhliche Weihnachten zu wünschen. Love and Peace!